Samstag, November 26, 2005

12. Trend: Die Suche nach Halt und Sinn

Seit jeher wollte ich einmal die drei dem Menschen ureigenen Fragen bemühen: Wer sind wir? Woher kommen wir? Wohin gehen wir? Dieser Trend bietet den richtigen Anlaß. Multioptionalität gepaart mit Hektik führt zu Orientierungslosigkeit. Die Menschen der heutigen Zeit suchen nach Anhaltspunkten im immateriellen wie im materiellen Sinn.

In verschiedenen Ausprägungen der Kirche, in spirituellen Gruppen oder Sekten finden Menschen Halt. Religionen sind bei den Sinnsuchenden deshalb so beliebt, weil Sie einem Rituale und einen Ordnungsrahmen bieten, indem sich das Leben abspielt. Weiterhin schaffen sie es, eine Vorstellung davon zu geben, wofür wir Leben und was nach dem Leben kommt.
Prominente werden zu Aushängeschildern und "Menschenfischern": So stehen Madonna und Britney Spears für die jüdische Geheimlehre Kabbala. Tom Cruise, John Travolta und Juliette Lewis leihen Ron Hubbard und seiner Lehre vom Wissen - Scientology ihre Stimme. Richard Gere als Freund des Dalai Lama vertritt den tibetanischen Buddhismus. Sogar die katholische Kirche hat in Mel Gibson einen in Hollywood für seinen Glauben eintretenden Prominenten gefunden.

Die Herkunft kann auch Halt und Sinn bieten. Es wird nach den eigenen Wurzeln geforscht. Es schickt sich zu wissen, woher man kommt. Gedenkstätten, Familienwappen u.ä. erfahren wieder Aufmerksamkeit.

Weniger tief gründen Ratschläge für den Alltag wie Horoskope, Glückskekse und das Kartenlesen, deren Herkunft und Wahrheitsgehalt nur eine sekundäre Rolle spielen.

Fernab von Religion und Philosophie beobachten wir im Konsumverhalten die Suche nach Halt und Sinn. Es ist die Rede von der Macht der Marke. Bei der heutigen Fülle an Kaufoptionen schafft die Marke Vertrauen. Sie erleichtert und beschleunigt das Auswahlverfahren. Der wehrhafte Verbraucher (s. Trend 4) ist jedoch sehr wählerisch. Er sucht Marken, die die Unternehmensphilosophie in allen Facetten verkörpern und authentisch wirken. Bevorzugt werden Marken mit einer langjährigen, skandalfreien Geschichte wie z.B. Nivea oder Haribo.

Zum Schluß noch ein profanes Beispiel für den Trend der Suche nach Halt und Sinn. Es soll Menschen geben, die sich tagtäglich um 17.55 Uhr vor den Bildschirmen versammeln, um sich eine Serie namens "Verbotene Liebe" anzusehen. Der Körper ist schon soweit konditioniert, dass das Hungergefühl genau zu dieser Zeit einsetzt. Durch diese Serie wissen besagte Leute, was sie von Montag bis Freitag um diese Uhrzeit machen. Das gibt Halt, macht es Sinn?

Viele Grüße aus Ludwigburg!

2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Auf der Suche nach Halt und Sinn begenete mir Farin Urlaubs Antwort:

Wir wollen alle mehr oder weniger dasselbe
Seit es Menschen gibt
Nen Platz an der Sonne, genug zu essen, ein Bett -
Und jemanden, der uns
Das Frühstück ans Bett bringt und abends ein Lied singt
Nen MP3-Player mit alles von Slayer
Natürlich gebührlich und gar keine Frage
Ne Riesengigantische Mega-Anlage
Und Breitband und Breitwand und Hifi und Highclass
Von allem das Beste und immer nur Vollgas
Nen mattschwarzen Wagen, schön tief und schön breit
Und die Nachbarn solln bitte schön platzen vor Neid

N Penthouse in der City, ne Villa am Meer
Ne Yacht in Pearl Harbor, ne Jolle in Leer
Ein Platz an der Theke, ein Schluck aus der Pulle
Und täglich das Neueste von Didi und Stulle
Und von H. D. Thoreau alles, was es so gibt
Und dazu noch ein Pony und jemanden, der uns gern hat

Anonym hat gesagt…

Hallo Daniel,

Grundlage für die Suche nach Halt und Sinn ganz allgemein ist ja das Urbedürfnis des Menschen nach Orientierung. Dies ist um so wichtiger, je komplizierter und unübersichtlicher die Verhältnisse werden.
Da stimme ich dir zu, dass Unternehmen den Trend erkannt haben und in ihrer Unternehmensphilosophie eine Orientierung anbieten, die zu einer Bindung an ihre Marke führen soll.
Allerdings ist eine Ursache für den zunehmenden Verlust an Halt und Sinn in einem immer schnelleren Wechsel aller Standards zu finden, die für das Funktionieren einer Gesellschaft notwendig sind. Der Zwang zu ständigen Neuerungen hat tendenziell m.E. deshalb auch einen Verlust an Markenbindung zur Folge. Und wie will ein Unternehmen seinen Kunden dauerhaft suggerieren, dass es in erster Linie in deren Interesse handelt, wenn es in Wirklichkeit in erster Linie dem shareholder value verpflichtet ist? Auf Dauer wird es schwer vermittelbar sein, z.B. seine Marke als "Deutsche Wertarbeit" zu verkaufen, wenn man die Produktion gerade ins Ausland verlagert hat, siehe AEG.